Pressearchiv
Herbst 1900
Züricher Allgemeine
Die neutrale Schweiz schaut voller Furcht auf die Entwicklung in Europa. Überall scheint es Konflikte zu geben. Ein beängstigendes Wettrüsten hat begonnen. Ein Krieg scheint in sicherer Nähe. Kann der Weltfrieden bewahrt werden? Steuert ganz Europa in einen Krieg? Wir werden weiter berichten.
Sommer 1901
Berliner Zeitung
Amsterdam. Mit
Jubelfeiern wurden die deutschen Matrosen in den
niederländischen Häfen emfangen. Wilhelmina von Oranien-Nassau, die
Königin der Niederlanden sagte "aus gutem Grund beginnt unsere
Nationalhymne mit den Worten 'Wilhelm von Nassau bin ich, von deutschem
Blut...' Das galt schon im 16. Jahrhundert so und soll für immer gelten.
Mehr dazu im AUSLANDSTEIL.
Stuttgart. Mit Trauer nahm die weltweite Automobilgemeinde den Tod von
Gottlieb Daimler am 6. März zur Kenntnis. Kurz vor seinem 66. Geburtstag
verliess uns ein Genie, dessen Erfindungsreichtum die Automobilwelt für
immer verändert hat. Die Trauergemeinde nahm von dem weltweit
anerkannten Bastler auf dem Uff-Friedhof in Cannstadt Abschied. MEHR
dazu im PANORAMA und WIRTSCHAFT.
Leipzig. Wackere junge Sportler fanden sich am 28. Januar in Sachsen
zusammen und gründeten den Deutschen Fußball-Bund. Mit viel Elan gingen
die jungen Männer zur Sache und werden uns mit Sicherheit noch sehr viel
Freude bereiten. Mehr dazu im SPORT.
Friedrichshafen. Am 2. Juli fand am Bodensee die erste Versuchsfahrt
eines Starrluftschiffs durch Ferdinand Graf von Zeppelin erfolgreich
statt. Die tausenden Schaulustigen waren begeistert. Der
Verkehrsminister in Berlin liess durch seinen Sprecher verkünden "Ein
neues Zeitalter des Luftverkehrs hat heute in Deutschland begonnen. Wir
sind stolz, an diesem historischen Moment teilnehmen zu dürfen." Mehr
dazu im PANORAMA
Weimar. Am 25. August verstarb in Weimar Friedrich Nietzsche an den
Folgen einer Lungenentzündung und eines Schlaganfalls. Der Autor von
Meisterwerken wie "Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik",
"Menschliches, Allzumenschliches – Ein Buch für freie Geister", "Die
föhliche Wissenschaft - ein Buch für Alle und Keinen" oder "Ecce homo -
wie man wird, was man ist" ist für immer von uns gegangen. Mit ihm
verliert die Philosophie einen Denker, der wie kein Zweiter die Freiheit
der Methode und der Betrachtung gewählt hat und so mit seiner
Philosophie nur sehr schwer einer bestimmten Disziplin definitiv
einzuordnen war. Mehr dazu im FEUILLETON.
Kopenhagen. Bei Ausschreitungen in den Städten Kopenhagen, Arhus und
Roskilde gab es zahlreiche Verletzte und einige Tote durch gewaltsame
Übergriffe der Polizei. Freiheitskämpfer flehten "Warum unternimmt denn
das Ausland nichts, warum lässt man uns in diesem Blutkessel allein?"
Auch von Seiten der dänischen Regierung gab es eine offizielle Bitte an
die deutsche Regierung, Truppen zu schicken, um den Frieden
wiederherstellen zu können. Mehr dazu im AUSLAND.
Berlin. Am 2. September wurde in den Schulen Preußens das neue Schulfach
"sexuelle Aufklärung" eingeführt. Ersten Berichten zufolge, sind die
Schüler begeistert.
Der 14jährige Pepe Müller aus Potsdam sagte "des is dufte, dat neue Fach
werd' icke mit Sicherheit nüscht einmal sausen lassen." Aus dem
Lehrpersonal fallen die Stellungnahmen jedoch weiter zurückhaltender
aus. Ein Interview mit Oberstudienrat Pfeiffer auf den Seiten SCHULE &
BILDUNG.
Winter 1901
Sommer 1902
Berliner Zeitung
Berlin. Am 18.
Februar wurde in Berlin der erste Teilabschnitt der
U-Bahn eingeweiht. Zwischen Stralauer Tor und Potsdamer Platz brach nach
sechs Jahren Bauzeit eine neue Ära des Personennahverkehrs an. Mehr dazu
in MOBILES LEBEN
Brüssel. Die belgische Regierung dankte dem Admiral der deutschen Marine
für die tatkräftige Unterstützung gegen englische Übergriffe und dann
ab. "Das Schicksal der belgischen Nation soll nun für immer mit der
deutschen verknüpft sein." Mehr dazu im AUSLAND
Berlin. Nach der sensationellen Wiederentdeckung des Büchner Klassikers
"Dantons Tod", wurde dieses am 5. Januar nun im Berliner
/Belle-Alliance-Theater/ als Produktion des Vereins /Neue Freie
Volksbühne/ uraufgeführt. Mehr dazu im FEUILLETON
Augsburg. Am 21. Februar verstirbt in Augsburg mit Mathias
"Schachenmüller-Hiasl" Kneißl ein gefährlicher Verbrecher durch die
Guillotine. Der bayerische Gerichtshof verurteilte ihn auf Antrag des
Staatsanwalts wegen Mordes zum Tode und wegen anderer Straftaten zu 15
Jahren Zuchthaus sowie zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. "De
Woch fangt scho guat o" kommentierte Kneißl das Urteil. Die Polizei geht
jedoch davon aus, dass Teile seiner Räuberbande sich Vestecke in den
Wäldern Böhmens oder Tirols gesucht haben und immer noch eine Bedrohung
der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen.. Mehr dazu im INLAND.
Winter 1903
London Times
London Der russische Angriff auf die in Norwegen stationierte zweite
Flotte der Royal Navy hat am Wochenende zu erheblichen diplomatischen
Verwerfungen gefuehrt. Der russische Botschafter wurde zum Rapport einbestellt,
war aber offenbar nicht in der Lage den ungeheuerlichen Vorfall zu erklaeren.
Russland hatte noch im vergangenen Jahr einen Freundschaftsvertrag mit England
unterzeichnet dessen Kernpunkt die friedliche Kooperation in Skandinavien war.
Vor diesem Hintergrund kommt man nicht umhin den russischen Angriff auf Norwegen
als einen das Voelkerrecht beugenden, kriegerischen Akt zu bezeichnen. Am
spaeten Sonntag kam denn auch die offizielle Antwort die von den vor dem
Parlamentsgebaeude demonstrierenden, aufgebrachten Massen schon seit Freitag
lautstark gefordert wurde. In einer offiziellen Note hat der englische Koenig
Russland heute den Krieg erklaert. Die spaete Reaktion wird von der Regierung
damit erklaert dass geheime Gespraeche mit Diplomaten anderer Nationen auf dem
Kontinent erst zum Abschluss gebracht werden mussten. Worum es in diesen
Verhandlungen im Detail ging wurde nicht bekannt. Der Wortlaut der an Russland
uebermittelten Kriegserklaerung gibt jedoch einigen Aufschluss darauf. In der
Note heisst es dass England sich der russischen Aggression entgegen stellt. Die
Kriegserklaerung ist jedoch nicht allein an Russland gerichtet sondern schliesst
das mit Moskau verbuendete Osmanische Reich explizit mit ein.
Moskauer Einblick
Sommer 1906
Winter 1906
London Times
Interview mit dem Englischen Koenig.
Reporter: Euer Hochwürden, wie sehen Sie denn die Lage in Europa?
König Edward: ?Es wird viel Krieg geführt. Ein schrecklicher Zustand!
Reporter: ?Der Deutsche Kaiser hat im Liechtensteiner Lichtblick bereits von
der Niederlage Englands gesprochen. Was sagen Sie zu dieser Provokation?
König Edward: ?Lichtenstein, ein Land das man auf der Europakarte mit der Lupe
suchen muss sollte sich nicht in die Angelegenheiten der Krieg führenden
Parteien einmischen. Die offenkundigen Spannungen zu diskutieren und auf
diplomatischem Wege beizulegen ist Aufgabe der sieben Großmächte.
Reporter: ? Sagten Sie eben sieben? Haben Sie sich da nicht verzählt?
König Edward: ?Die Geschichte befindet sich im Fluss.
Reporter: ?Deutschland hat den Norden Europas im Handstreich genommen. Wie
konnte es soweit kommen?
König Edward: ?England hat sich auf eine schiefe Ebene begeben als es
Verhandlungen mit Deutschland zugestimmt hat. Die Admiralität hätte wissen
sollen dass dem Hacken schlagenden Hunnenkönig nicht zu trauen ist!
Reporter: ?Hier endet die Selbstkritik?
König Edward: ?Korrekt. Am Niedergang Englands trage ich absolut keine Schuld!
Reporter: ?Hüstl, hüstl?
König Edward: ?Wenn man in Lissabon und Ankara demnächst Pickelhaube trägt
dann ist das einzig und allein die Schuld Russlands. In grenzenloser
Selbstüberschätzung hat der Zar angenommen er könne mit einer einzigen Flotte
Deutschland, Frankreich und England gegeneinander ausspielen und gleichzeitig
Skandinavien unter russischen Einfluss bringen. Ein groß angelegter
Zaubertrick der fast augenblicklich zum billigen Tischfeuerwerk verkommen ist.
Ohne diese russische Grosstat hätte England den Status-quo- in Nordeuropa
weiterhin über viele Jahre garantieren können.
Reporter: ?Wie sehen Sie Ihre politische Zukunft?
König Edward: ?Düster.
Reporter: ?Euer Hochwürden, wohin gehen Sie? So warten Sie doch! Ich habe noch
Fragen an Sie!
König Edward: ?Ich muss los. Mein Schiff legt in einer Stunde ab. Machen Sies
gut!
Reporter: ?Vielen Dank für dieses Gespräch.
Sommer 1909
Aftenposten
Wie das Norwegische Nobelpreiskomitee gestern verkündete, wird der
diesjährige Friedensnobelpreis an die französische Regierung verliehen.
In der Erklärung hieß es: "Den Schutz den Frankreich der britischen
Krone im Krieg gegen Deutschland bietet ist in seiner Selbstlosigkeit
wohl einzigartig. Obwohl ihre militärischen Mittel längst ausreichten
England im Handstreich zu nehmen, verzichtete die friedfertige
französische Generalität auf diesen barbarischen Akt und hielt
stattdessen Manöver mit deutschen Truppen ab, die den Frieden in
Westeuropa noch auf Jahre garantieren wird."
In vielen europäischen Ländern wurde die Entscheidung mit großer
Begeisterung aufgenommen. Neben der deutschen und englischen Regierung
waren insbesondere aus Rom Freudentöne von offizieller und inoffizieller
Seite zu hören.
Sommer 1916
London Times
Moskau: Die Führer der alliierten Mächte Russland, Deutschland, England und des Osmanischen Reiches haben sich heute zu Beratungen in der russischen Hauptstadt zusammengefunden. Offiziellen Verlautbarungen zufolge besteht das Ziel der Gespräche darin, die Aktionen der alliierten Streitkräfte optimal zu koordinieren. Zwar liegt noch keine Abschlusserklärung des hinter verschlossenen Türen stattfindenden Treffens vor, dennoch ist bereits zu erkennen dass die versammelten Machthaber nicht gedenken sich dem stetig wachsenden militärischen Druck zu beugen. So ließ sich der deutsche Kaiser mit der Aussage zitieren "Jeder Stoss - ein Franzos'! Deutsche Truppen haben sich in Skandinavien eingegraben und verteidigen die Nordfront bis zum Letzten". Ähnlich Töne waren auch vom aus Ankara angereisten Sultan zu hören. Nach heftigen Tiraden in Richtung Rom diktierte er den anwesenden Journalisten in die Blöcke dass kein Ungläubiger je den Bosporus überqueren werde. "Beim Barte des Propheten: Die osmanisch-russische Verteidigung wird noch tausend Jahre halten!"
Trotz des verbalen Säbel-Rasselns sehen neutrale Beobachter aber auch die Möglichkeit einer raschen Beilegung des Krieges durch Friedensschluss. Erst vor einer Woche aeusserte sich der amerikanische Botschafter in England in eben dieser Richtung. "Die Alliierten Mächte erkennen die militärische Überlegenheit Italiens und Frankreich durchaus an" heißt es in einem vielbeachteten Interview mit dem gut unterrichteten Diplomaten. "Nach nunmehr sechzehn Jahren des aufopferungsvollen Kampfes ist es den Herrschern in Ankara, Berlin, London ( er meinte wohl Liverpool - Anmerk. d. Red.) und Moskau jedoch unmöglich ihre Völker mit einer bedingungslosen Kapitulation zu konfrontieren. Die Chance auf einen Vertragsfrieden ist zum greifen nahe - ein entsprechender Vertrag müsste aber einen für die Alliierten zumindest gesichstwahrenden Charakter haben."
Ähnliche Stimmen mehren sich in letzter Zeit und so ist damit zu rechnen dass das Moskauer Treffen auch zur Formulierung einer entsprechenden, an Italien und Frankreich gerichteten Friedensnote genutzt wird. "Europa hofft auf eine solche Entwicklung," kommentiert derweil der amerikanische Botschafter."Es ist an der Zeit dass die Generäle den Diplomaten wieder das Feld überlassen. Die Fortsetzung des Krieges wäre ein Abenteuer mit für beide Seiten ungewissem Ausgang."
Seite von Ludomaniac